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Sonderkündigungsschutz bei Schwerbehinderung

Der Sonderkündigungsschutz bei Schwerbehinderung bedeutet, dass die sozial schutzwürdige Gruppe der Arbeitnehmer mit einer Schwerbehinderung schwerer kündbar ist als Arbeitnehmer ohne eine Schwerbehinderung.

Sonderkündigungsschutz bei Schwerbehinderung
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Dieser besondere Kündigungsschutz bedeutet jedoch nicht, dass schwerbehinderte Arbeitnehmer unkündbar sind.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Bernd Schmidt geht in diesem Beitrag auf das Thema Sonderkündigungsschutz bei Schwerbehinderung ein und erklärt, was es mit dem besonderen Kündigungsschutz auf sich hat.

Übersicht:

  1. Was bedeutet Sonderkündigungsschutz?
  2. Wann gilt man als schwerbehindert?
  3. Für wen gilt der besondere Kündigungsschutz?
  4. Kann man Mitarbeiter mit einer Schwerbehinderung kündigen?
  5. In welchen Fällen stimmt das Integrationsamt einer Kündigung zu?
  6. Wie lange ist die Kündigungsfrist bei einer Schwerbehinderung?
  7. Wie hoch ist die Abfindung für Schwerbehinderte?

Was bedeutet Sonderkündigungsschutz?

Im deutschen Arbeitsrecht unterscheidet man den allgemeinen und den besonderen Kündigungsschutz. Der allgemeine Kündigungsschutz schützt Arbeitnehmer vor einer ungerechtfertigten Kündigung. Damit der allgemeine Kündigungsschutz gilt, muss man als betroffener Arbeitnehmer mindestens sechs Monate im Unternehmen beschäftigt sein (Wartezeit).

Außerdem müssen in dem Betrieb regelmäßig mindestens 10 Arbeitnehmer in Vollzeit beschäftigt sein. Teilzeitbeschäftigte zählen entsprechend ihrem Anteil an der Vollzeitbeschäftigung ebenso mit.

Gilt der allgemeine Kündigungsschutz, muss eine Kündigung durch den Arbeitgeber sozial gerechtfertigt sein. Für diese soziale Rechtfertigung muss einer der drei gesetzlichen Kündigungsgründe – verhaltensbedingt, personenbedingt oder betriebsbedingt – vorliegen.

Betriebsbedingte Kündigung wegen Umstrukturierung

Mehr zum Thema betriebsbedingte Kündigung, finden Sie in unserem Beitrag zum Thema.

Besonderer Kündigungsschutz oder Sonderkündigungsschutz

Der besondere Kündigungsschutz schützt bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern in besonderem Maße vor einer Kündigung durch den Arbeitgeber. Der Gesetzgeber hält diese Arbeitnehmer für so besonders schutzwürdig, dass eine Kündigung grundsätzlich möglich ist, die Hürden hierfür jedoch besonders hoch sind.

Sonderkündigungsschutz gilt z.B. für folgende Arbeitnehmer

  • Arbeitnehmer mit einer Schwerbehinderung oder Gleichgestellte
  • Schwangere Arbeitnehmerinnen bis zum Ablauf der Schutzfrist (4 Monate nach der Entbindung)
  • Arbeitnehmer in Elternzeit oder Pflegezeit
  • bestimmte Betriebsbeauftragte in einem Unternehmen (Datenschutzbeauftragte, Schwerbehindertenvertreter etc.)
  • Betriebsräte, Personalräte, sowie Arbeitnehmer, die die Wahl des Vertretungsorgans initiieren oder organisieren
  • Auszubildende nach Beendigung der Probezeit

Damit der Sonderkündigungsschutz jedoch gilt, müssen je nach Grundlage des Sonderkündigungsschutzes noch bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein.

Sonderkündigungsschutz bei Schwerbehinderung: Wann gilt man als schwerbehindert?

Ob eine Schwerbehinderung vorliegt oder nicht, lässt sich nach dem festgestellten Grad der Behinderung beurteilen. Der GdB wird vom Versorgungsamt nach versorgungsmedizinischen Standards festgestellt. Ab einem GdB von 50 erhält man einen Schwerbehindertenausweis und gilt als schwerbehindert.

Für wen gilt der besondere Kündigungsschutz?

Der besondere Kündigungsschutz gilt für Arbeitnehmer mit einer Schwerbehinderung – GdB ab 50 – sowie für Arbeitnehmer, die schwerbehinderten Arbeitnehmern gleichgestellt sind. Die Gleichstellung kann bei der Agentur für Arbeit beantragt werden.

Voraussetzung dafür ist, dass ein GdB mindestens 30 und weniger als 50 vorliegt und der Arbeitsplatz muss durch eine Behinderung gefährdet sein oder der Arbeitnehmer aufgrund seiner Schwerbehinderung keinen Arbeitsplatz findet.

Kündigung Schwerbehinderter Probezeit

Während es bestimmte Personengruppen gibt, deren besonderer Kündigungsschutz bereits während der Probezeit bzw. innerhalb der Wartezeit gilt, ist dies bei dem besonderen Kündigungsschutz für schwerbehinderte Arbeitnehmer nicht der Fall. Der Kündigungsschutz gilt nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX erst, wenn die Beschäftigung mindestens 6 Monate bestanden hat.

Da die Probezeit maximal sechs Monate betragen darf (§ 622 Abs. 3 BGB), gilt der besondere Kündigungsschutz für schwerbehinderte Arbeitnehmer während der Probezeit nicht.

Kann man Mitarbeiter mit einer Schwerbehinderung kündigen?

Arbeitnehmer mit einer Schwerbehinderung genießen einen besonderen Kündigungsschutz, der jedoch nicht zur Unkündbarkeit führt. Einem schwerbehinderten Arbeitnehmer kann dann gekündigt werden, wenn das Integrationsamt der Kündigung vor Ausspruch der Kündigung zugestimmt hat.

Der Antrag des Arbeitgebers an das zuständige Integrationsamt ist zu begründen. Ergibt sich aus dieser Begründung, dass die Kündigungsgründe in der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers liegen, muss das Integrationsamt die Kündigung ablehnen.

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In welchen Fällen stimmt das Integrationsamt einer Kündigung zu?

Dem SGB IX wohnt der Teilhabe-Gedanke inne. Schwerbehinderten Menschen soll es ermöglicht werden, am Arbeitsmarkt teilhaben zu können. Dabei sollen Nachteile schwerbehinderter Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt ausgeglichen werden. Mögliche Einschränkungen der Vertragsfreiheit bzw. Gestaltungsfreiheit des Arbeitgebers werden vom Gesetz in Kauf genommen.

Bei der Zustimmung oder Ablehnung eines Antrags zur Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers muss das Integrationsamt diesen Teilhabe-Gedanken berücksichtigen. Hat die Kündigung etwas mit der Einschränkung dieser Teilhabe zu tun oder bezieht sie sich auf die Behinderung, hat das Integrationsamt die Zustimmung zu versagen.

Hat die Kündigung weder mit der Schwerbehinderung etwas zu tun, noch mit dem Teilhabe-Gedanken, ist die Zustimmung zur Kündigung zu erteilen.

Bei verhaltens- oder betriebsbedingten Kündigungen des Arbeitgebers wird das Integrationsamt eher einer Kündigung zustimmen, da hier die Behinderung meist keine Rolle spielt und ein schwerbehinderter Arbeitnehmer mit anderen Arbeitnehmern gleich zu behandeln ist. Im Rahmen einer zu treffenden Sozialauswahl bei einer betriebsbedingten Kündigung ist die Schwerbehinderung als Kriterium zu berücksichtigen.

Wie lange ist die Kündigungsfrist bei einer Schwerbehinderung?

Bei Vorliegen einer Schwerbehinderung finden die gesetzlichen Kündigungsfristen aus § 622 BGB für die Kündigung des Arbeitgebers Anwendung. Für schwerbehinderte Arbeitnehmer gilt eine gesetzliche Mindestkündigungsfrist von 4 Wochen bei ordentlichen Kündigungen, § 169 SGB IX. Diese Mindestkündigungsfrist gilt erst dann, wenn der Arbeitnehmer mindestens sechs Monate in dem Unternehmen beschäftigt ist.

Sollten andere gesetzliche oder vor allem tarifvertragliche Regelungen für das konkrete Arbeitsverhältnis Anwendung finden, die eine kürzere Kündigungsfrist als 4 Wochen vorsehen, gelten diese nicht. In solchen Fällen beträgt die Kündigungsfrist mindestens vier Wochen.

Die 4-wöchige Mindestkündigungsfrist findet aber keine Anwendung bei Kündigungen des Arbeitnehmers, bei fristlosen Kündigungen oder Kündigungen innerhalb der ersten sechs Monate der Beschäftigung.

Wie hoch ist die Abfindung für Schwerbehinderte?

Für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch arbeitgeberseitige Kündigung kann dem gekündigten Arbeitnehmer eine Abfindung gezahlt werden. In der Regel muss eine Abfindung im Rahmen von Verhandlungen mit dem Arbeitgeber ausgehandelt werden.

Abfindung und Aufhebungsvertrag

Um das Arbeitsverhältnis mit einem schwerbehinderten Arbeitnehmer ohne behördliche Zustimmung zu beenden, können Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag abschließen. Der Inhalt kann mit dem Arbeitgeber frei verhandelt werden, so dass in einem solchen Aufhebungsvertrag auch eine Abfindung vereinbart werden kann.

Weitere mögliche Inhalte des Aufhebungsvertrags sind der Beendigungszeitpunkt des Arbeitsvertrages, die Auszahlung von Mehrarbeitsstunden und Urlaubsabgeltung sowie die Note des Arbeitszeugnisses.

Schlechtes Arbeitszeugnis nach Kündigung

Mehr zum Thema Arbeitszeugnis, finden Sie in unserem Beitrag zum Thema.

Kündigung Schwerbehinderter Abfindung

Es besteht bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages oder auch eines gerichtlichen Vergleichs innerhalb eines Kündigungsschutzprozesses kein Recht auf eine Abfindung. Arbeitgeber zahlen jedoch meist eine Abfindung, um den Arbeitnehmer zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags zu bewegen.

Da schwerbehinderte Arbeitnehmer dem besonderen Kündigungsschutz unterliegen und daher schwerer kündbar sind, sind Arbeitgeber oft bereit, höhere Abfindungen zu zahlen als bei einem nicht schwerbehinderten Arbeitnehmer.

Bei den Verhandlungen über eine Abfindung und die weiteren Beendigungsmodalitäten sollten sich Arbeitnehmer daher von einem erfahrenen Fachanwalt für Arbeitsrecht vertreten lassen, damit es nicht zu Rechtsnachteilen kommt.

Urhebervermerk Beitragsbild: © PantherMedia / Harry Huber

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