Der Zugewinnausgleich ist ein zentrales Element des deutschen Familienrechts, das im Falle einer Scheidung für eine gerechte Verteilung des während der Ehe erwirtschafteten Vermögens sorgt.

Dies gilt allerdings nur für Ehepaare, die nicht durch einen Ehevertrag einen anderen Güterstand als die Zugewinngemeinschaft vereinbart haben.
Was viele nicht wissen: Der Zugewinnausgleich erfolgt nicht automatisch, sondern muss aktiv beantragt werden. Für Ehepartner, die sich scheiden lassen, ist es wichtig, das Verfahren des Zugewinnausgleichs genau zu verstehen und rechtzeitig die richtigen Schritte einzuleiten, um keine Ansprüche zu verlieren.
Neben den gesetzlichen Grundlagen gibt es auch rechtliche Strategien, um den Zugewinnausgleich fair und vorteilhaft zu gestalten. Ob durch einen Ehevertrag, die geschickte Wahl des Stichtages oder den Einsatz von Schenkungen – gut geplantes Vorgehen kann den Ausgleich erheblich beeinflussen. In diesem Beitrag erfahren Sie, was der Zugewinnausgleich ist, wie er beantragt wird, worauf Sie achten sollten und mit welchen legalen Tricks Sie Ihre Vermögensinteressen bestmöglich wahren können.
Inhalt
- Was bedeutet Zugewinnausgleich?
- Muss der Zugewinnausgleich beantragt werden?
- Wie kann der Zugewinnausgleich noch durchgeführt werden?
- Welche legalen Tricks gibt es für den Zugewinnausgleich?
- Fazit
- FAQ
1. Was bedeutet Zugewinnausgleich?
Der Begriff des Zugewinnausgleichs stammt aus dem deutschen Familienrecht. Der Zugewinnausgleich ist eng mit dem Begriff der Zugewinngemeinschaft verbunden. Die Zugewinngemeinschaft ist der gesetzliche Güterstand, der bei Eheschließung in Deutschland automatisch eintritt. Ein anderer Güterstand wie Gütertrennung oder Gütergemeinschaft kann jederzeit vor oder während der Ehe durch einen notariell beurkundeten Ehevertrag vereinbart werden.
Gesetzlicher Güterstand der Zugewinngemeinschaft
Der Güterstand, wie etwa der Güterstand der Zugewinngemeinschaft, regelt, wie das Vermögen der Ehepartner während der Ehe verwaltet wird und was im Falle der Scheidung oder des Todes eines Ehepartners geschieht. Bei der Zugewinngemeinschaft bleibt das Vermögen beider Ehepartner getrennt. Das heißt, jeder Ehepartner behält grundsätzlich sein eigenes Vermögen, das er vor der Ehe hatte oder während der Ehe erwirbt. Es findet also keine Vermischung der Vermögensmassen statt.
Im Übrigen verfügt und verwaltet jeder Ehepartner sein Vermögen allein. Bestimmte Entscheidungen, wie z.B. der Verkauf des gesamten Hausrats oder einer gemeinsam genutzten Immobilie, bedürfen jedoch der Zustimmung des anderen Ehepartners.
Zugewinnausgleich nach Beendigung der Ehe
Der Zugewinnausgleich ist ein Mechanismus des deutschen Familienrechts, der im Falle einer Scheidung sicherstellen soll, dass das während der Ehe erwirtschaftete Vermögen gerecht zwischen den Ehepartnern aufgeteilt wird. Er tritt automatisch ein, wenn die Ehepartner im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt haben.
Der Zugewinnausgleich beruht auf dem Grundsatz, dass das Vermögen, das die Ehepartner während der Ehe erworben haben, beiden zu gleichen Teilen zugute kommen soll. Dazu wird der sogenannte „Zugewinn“ jedes Ehepartners ermittelt. Der Zugewinn ist die Differenz zwischen dem Vermögen, das ein Ehepartner zu Beginn der Ehe hatte (Anfangsvermögen) und dem Vermögen, das er am Ende der Ehe hat (Endvermögen). Zum Zugewinn zählt auch die Tilgung von Schulden. Vermögen, das während der Ehe durch Schenkung oder Erbschaft hinzugekommen ist, bleibt unberücksichtigt und wird dem Anfangsvermögen hinzugerechnet.
Hat ein Ehepartner während der Ehe mehr Vermögen erwirtschaftet als der andere, entsteht eine Ausgleichspflicht. Der Ehepartner mit dem höheren Zugewinn muss die Hälfte der Differenz zum Zugewinn des anderen Ehepartners an diesen auszahlen (§ 1378 BGB). Ziel des Zugewinnausgleichs ist es, einen gerechten Ausgleich zu schaffen und zu verhindern, dass ein Ehepartner finanziell unverhältnismäßig benachteiligt wird.
Ein Beispiel: Ehepartner A hatte zu Beginn der Ehe ein Vermögen von 120.000 Euro und am Ende der Ehe ein Vermögen von 200.000 Euro. Der Zugewinn beträgt also 80.000 Euro.
Ehepartner B hatte zu Beginn der Ehe Schulden in Höhe von 20.000 Euro und am Ende ein Vermögen von 180.000 Euro. Der Zugewinn beträgt somit 200.000 Euro. Die Differenz des Zugewinns beträgt 120.000 Euro. Ehepartner A erhält von Ehepartner B die Hälfte der Differenz, also 60.000 Euro als Zugewinnausgleich.
Zugewinnausgleich nach dem Tod eines Ehepartners
Leben die Ehepartner im Güterstand der Zugewinngemeinschaft, sind eheliche Kinder vorhanden und verstirbt einer der Ehepartner, so sieht das Gesetz vor, dass sich der Erbteil des überlebenden Ehepartners pauschal um 1/4 als Zugewinnausgleich erhöht (§ 1371 Abs. 1 BGB). Wenn jedoch der verstorbene Ehepartner zu Lebzeiten einen sehr hohen Zugewinn erwirtschaftet hat, kann die sog. güterrechtliche Lösung für den überlebenden Ehepartner vorteilhafter sein. Denn wenn der überlebende Partner die pauschale Abgeltung des Zugewinns ausschlägt (§ 1371 Abs. 2 BGB) und seinen Zugewinn nach den allgemeinen Regeln des Zugewinnausgleichs geltend machen.
2. Muss der Zugewinnausgleich beantragt werden?
Der Zugewinnausgleich wird üblicherweise im Rahmen des Scheidungsverfahrens geregelt, wobei der Anspruch ausdrücklich geltend gemacht werden muss. Das heißt, der Zugewinnausgleich muss beantragt werden. Er wird nicht automatisch im Rahmen des Scheidungsverfahrens durchgeführt, wie z.B. der Versorgungsausgleich. Ohne einen entsprechenden Antrag bleibt der Zugewinnausgleich also unberücksichtigt.
Der Zugewinnausgleich findet also nur statt, wenn er aktiv beantragt wird. Ohne Antrag findet der Ausgleich nicht statt, auch wenn ein Anspruch besteht. Es besteht aber auch die Möglichkeit, den Zugewinnausgleich im Rahmen des Scheidungsverfahrens gar nicht erst durchzuführen. Schließlich kann auf den Zugewinnausgleich ganz verzichtet werden. Ein solcher Verzicht bedarf zu seiner Wirksamkeit in der Regel der notariellen Beurkundung oder er kann im Rahmen einer Scheidungsfolgenvereinbarung vor Gericht erklärt werden.
Eine frühzeitige anwaltliche Beratung ist ratsam, um die Ansprüche zu klären und rechtzeitig geltend zu machen, damit der Anspruch nicht verjährt.
3. Wie kann der Zugewinnausgleich noch durchgeführt werden?
Wenn der Zugewinnausgleich nicht im Rahmen des gerichtlichen Scheidungsverfahrens durchgeführt wird, gibt es noch andere Möglichkeiten, den Zugewinnausgleich vorzunehmen.
Gesondertes Verfahren nach der Scheidung
Es besteht die Möglichkeit, den Zugewinnausgleich nach rechtskräftiger Scheidung in einem gesonderten gerichtlichen Verfahren geltend zu machen. Da der Anspruch nicht automatisch mit der Rechtskraft der Scheidung erlischt, kann der Zugewinnausgleich auch danach noch gerichtlich geltend gemacht werden. Allerdings gilt für den Zugewinnausgleich die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB).
Einigung ohne Gericht
Die Ehepartner können den Zugewinnausgleich auch außergerichtlich regeln, z.B. im Rahmen einer notariellen Vereinbarung die neben dem Zugewinnausgleich auch andere Punkte enthalten kann (Sorgerecht, Versorgungsausgleich, nachehelicher Unterhalt usw.). Ein gerichtlicher Antrag ist in diesem Fall nicht erforderlich.
4. Welche legalen Tricks gibt es für den Zugewinnausgleich?
Der Zugewinnausgleich kann durch bestimmte Strategien rechtmäßig beeinflusst werden. Diese Strategien bedürfen einer sorgfältigen Planung und sollten immer in Absprache mit einem auf Familienrecht spezialisierten Rechtsanwalt umgesetzt werden, um rechtliche Risiken zu vermeiden.
Mögliche Vorgehensweisen sind:
Überprüfung der Angaben: Man könnte auf die Idee kommen, sein Vermögen für die Berechnung des Zugewinns nicht genau anzugeben oder beim Endvermögen etwas wegzulassen. Das ist aber keine gute Idee, denn der andere Ehepartner hat nach § 1379 BGB ein Auskunftsrecht über das Endvermögen und alles, was in die Berechnung eingeht. Etwas zu verschweigen ist also ebenso wenig eine gute Idee, wie die Angaben des anderen Ehepartners nicht kritisch zu hinterfragen.
Stichtag nutzen: Stichtag für die Berechnung des Endvermögens ist der Tag, an dem der Scheidungsantrag dem anderen Ehepartner zugestellt wird. Dazu muss der Scheidungsantrag durch einen Rechtsanwalt bei Gericht eingereicht und die Gerichtskosten bezahlt werden, bevor der Antrag dem anderen Ehepartner zugestellt wird. Wenn man jedoch weiß, dass der andere Ehepartner während der Trennungszeit selbst erhebliches Vermögen erwirbt, kann es sinnvoll sein, mit der Einreichung des Scheidungsantrags oder der Zahlung der Gerichtskosten zu warten, um diesen Vermögenszuwachs in die Berechnung einfließen zu lassen. Umgekehrt gilt, wenn man selbst einen Vermögenszuwachs erwartet, sollte der Scheidungsantrag vor diesem Vermögenszuwachs beim anderen Ehepartner eingehen.
Ehevertrag abschließen: Ehepartner können am Ende ihrer Ehe auch einen notariellen Ehevertrag als Scheidungsvereinbarung abschließen. In einem solchen Vertrag können die Ehepartner individuelle Regelungen zum Zugewinnausgleich treffen. Sie können z.B. vereinbaren, dass bestimmte Vermögenswerte, wie z.B. Unternehmensanteile oder Immobilien, nicht in die Berechnung einbezogen werden oder dass dafür ein angemessener Betrag als Zugewinnausgleich vereinbart wird. Langwierige Auseinandersetzungen können durch eine individuelle, von beiden Ehepartnern akzeptierte Vereinbarung vermieden werden.
Vermögensminderung durch Schenkungen: Grundsätzlich kann man mit seinem Vermögen machen, was man will. Schenkungen an Dritte, die nur den Zweck haben, das eigene Vermögen zu vermindern, können jedoch dazu führen, dass diese Vermögenswerte dem Endvermögen wieder hinzugerechnet werden (§ 1375 Abs. 2 BGB). Dies gilt nicht für solche Schenkungen, die als sogenannte Pflicht- und Anstandsschenkungen zu qualifizieren sind. Hat ein Ehepartner sein Vermögen verschwendet, so ist auch das verschwendete Vermögen dem Endvermögen hinzuzurechnen.
Zustimmungspflicht des anderen Ehepartners bei größeren Vermögensverfügungen: Im Trennungsjahr darf man zudem nicht über sein gesamtes Vermögen oder einen wesentlichen Teil davon verfügen. Will man während der Trennungszeit mehr als 90 % seines Vermögens ausgeben oder auf einen anderen übertragen, so bedarf dies der Zustimmung des anderen Ehepartners. Es muss also ein Restvermögen von mehr als 10% verbleiben (§ 1365 BGB). Bei kleineren Vermögen, also unter 250.000 Euro, liegt die Grenze bei 15%, wie der Bundesgerichtshof entschieden hat. In der Praxis kann eine solche Vermögensverfügung z.B. dann vorliegen, wenn das Vermögen überwiegend aus Immobilien besteht und man diese z.B. auf seine Kinder oder einen neuen Partner übertragen möchte.
Welche zulässigen Tricks Sie als Ehepartner beim Zugewinnausgleich anwenden können und worauf Sie bei Ihrem zukünftigen Ex-Ehepartner achten sollten, damit dieser nicht in unredlicher Weise das Endvermögen verringert, hängt stark vom Einzelfall ab. Es ist daher kaum möglich, pauschale Vorgehensweisen an die Hand zu geben.
5. Fazit
- Zugewinngemeinschaft: Der Zugewinnausgleich ist nur möglich, wenn die Ehepartner im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben. Das Vermögen bleibt während der Ehe getrennt, aber der Zugewinn, also das während der Ehe erwirtschaftete Vermögen, wird im Falle einer Scheidung gerecht aufgeteilt.
- Zugewinnausgleich: Der Zugewinnausgleich ist eine gesetzliche Regelung, die sicherstellt, dass das während der Ehe erwirtschaftete Vermögen gerecht zwischen den Ehepartnern aufgeteilt wird. Er beruht auf dem Grundsatz, dass beide Ehepartner gleichermaßen von dem gemeinsam erwirtschafteten Zugewinn profitieren sollen.
- Aktive Beantragung des Zugewinnausgleichs: Der Zugewinnausgleich erfolgt nicht automatisch, sondern muss aktiv beantragt werden, entweder im Scheidungsverfahren oder in einem gesonderten Verfahren nach der Scheidung. Ohne Antrag bleibt der Anspruch unberücksichtigt.
- Außergerichtliche Einigung: Die Ehepartner können den Zugewinnausgleich durch eine notarielle Vereinbarung regeln, ohne ein Gericht einzuschalten.
- Ermittlung des Zugewinns: Der Zugewinn eines Ehegatten errechnet sich aus der Differenz zwischen dem Anfangsvermögen (bei der Eheschließung) und dem Endvermögen (bei der Scheidung). Erbschaften und Schenkungen zählen nicht zum Zugewinn, können aber das Anfangsvermögen erhöhen.
- Legale Strategien zur Optimierung des Zugewinnausgleichs: Es gibt verschiedene legale Ansätze, den Zugewinnausgleich fair und vorteilhaft zu gestalten. So bietet ein Ehevertrag die Möglichkeit, individuelle Regelungen zu treffen, etwa bestimmte Vermögenswerte wie Immobilien oder Unternehmensanteile von der Berechnung des Zugewinns auszunehmen. Auch die geschickte Wahl des Stichtags kann eine Rolle spielen: Da der Stichtag für die Berechnung des Endvermögens der Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags ist, kann es strategisch sinnvoll sein, den Antrag bewusst früher oder später einzureichen – je nachdem, ob ein Vermögenszuwachs des Ehepartners oder der eigenen Person bevorsteht. Darüber hinaus können Vermögensverfügungen wie Schenkungen oder gezielte Strukturierungen den Zugewinnausgleich beeinflussen. Solche Maßnahmen müssen jedoch rechtlich zulässig sein, damit diese Vermögenswerte nicht später wieder in den Zugewinnausgleich fallen. Eine sorgfältige Planung und Abstimmung mit einem auf Familienrecht spezialisierten Anwalt ist hier unerlässlich, um Risiken zu vermeiden und die Vermögensinteressen optimal zu wahren.
- Anwaltliche Beratung: Der Anspruch auf Zugewinnausgleich verjährt regelmäßig nach drei Jahren. Eine rechtzeitige und umfassende anwaltliche Beratung ist daher wichtig, um Ansprüche zu sichern und juristische Fehler zu vermeiden.
Haben Sie Fragen zum Zugewinnausgleich? Dann rufen Sie uns an unter 06196 465 66 oder schreiben Sie eine E-Mail an info@fachanwaelte-bundesweit.de.
6. FAQ
Was ist der Zugewinnausgleich?
Der Zugewinnausgleich ist ein familienrechtlicher Ausgleichsmechanismus, der im Falle einer Scheidung dafür sorgt, dass das während der Ehe erwirtschaftete Vermögen gerecht zwischen den Ehepartnern aufgeteilt wird. Dabei wird die Differenz zwischen dem Anfangs- und dem Endvermögen jedes Ehepartners ermittelt und der Ehepartner mit dem höheren Zugewinn muss die Hälfte der Differenz ausgleichen.
Wann muss der Zugewinnausgleich geltend gemacht werden?
Der Zugewinnausgleich muss aktiv beantragt werden, entweder im Scheidungsverfahren oder in einem gesonderten gerichtlichen Verfahren nach der Scheidung. Ohne Antrag bleibt der Anspruch unberücksichtigt.
Kann man auf den Zugewinnausgleich verzichten?
Ja, die Ehepartner können auf den Zugewinnausgleich verzichten, entweder durch einen notariell beurkundeten Ehevertrag vor oder während der Ehe oder durch eine einvernehmliche Scheidungsfolgenvereinbarung vor Gericht.
Welche Vermögenswerte bleiben beim Zugewinnausgleich unberücksichtigt?
Vermögen, das während der Ehe durch Schenkung oder Erbschaft hinzugekommen ist, wird nicht als Zugewinn berücksichtigt. Stattdessen wird es dem Anfangsvermögen des Ehepartners zugerechnet, der es erhalten hat.
Welche rechtlichen Strategien gibt es, um den Zugewinnausgleich zu optimieren?
Zu den Strategien gehören der Abschluss eines Ehevertrages, die strategische Wahl des Stichtages für den Scheidungsantrag oder die legale Strukturierung des Vermögens wie Schenkungen oder Investitionen. Alle Maßnahmen sollten rechtlich einwandfrei sein und in Absprache mit einem Anwalt getroffen werden.
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