Das gemeinsame Sorgerecht für ein Kind wird in der Regel von beiden Elternteilen ausgeübt. Gemeinsames Sorgerecht bedeutet dabei, dass beide Elternteile Verantwortung für ihr Kind übernehmen, unabhängig davon, ob sie verheiratet, zusammenlebend oder getrennt sind. Die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge hat sich stets am Wohl des Kindes zu orientieren.
Zwar müssen auch getrennt lebende Eltern nicht alle Entscheidungen, die ihr Kind, seine Erziehung und Entwicklung betreffen, gemeinsam treffen. Über Angelegenheiten des täglichen Lebens kann auch ein Elternteil allein entscheiden. Bei wichtigen Entscheidungen müssen die Eltern diese jedoch gemeinsam, einvernehmlich und zum Wohl des Kindes treffen.
Was das gemeinsame Sorgerecht bedeutet, wie Eltern das gemeinsame Sorgerecht erlangen, welche Entscheidungen allein oder gemeinsam getroffen werden müssen und was eine Trennung der Eltern für das gemeinsame Sorgerecht bedeutet, erläutern wir in diesem Artikel.
Übersicht:
- Was ist gemeinsames Sorgerecht?
- Welche Pflichten haben die Elternteile beim gemeinsamen Sorgerecht?
- Welche Entscheidungen darf ein Elternteil beim gemeinsamen Sorgerecht alleine treffen?
- Wie wird das gemeinsame Sorgerecht erlangt?
- Was bedeutet das gemeinsame Sorgerecht bei der Trennung?
- Fazit
- FAQ
Was ist gemeinsames Sorgerecht?
Sind zwei Personen Eltern eines Kindes geworden, so sind sie berechtigt und verpflichtet, die elterliche Sorge für das minderjährige Kind zu übernehmen. Zur Personensorge gehören nach § 1626 Abs. 1 BGB die Sorge um die Person des Kindes und die Sorge um das Vermögen des Kindes.
Nach § 1627 Satz 1 BGB üben beide Eltern die elterliche Sorge gleichberechtigt, einvernehmlich und gemeinsam aus.
Die gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge als gesetzlicher Regelfall wird als gemeinsames Sorgerecht bezeichnet. Das bedeutet, dass beide Elternteile gleiche Rechte und Pflichten gegenüber dem Kind haben. Das gemeinsame Sorgerecht hat sich grundsätzlich am Wohl des Kindes zu orientieren.
Die Verantwortung für ein minderjähriges Kind zu übernehmen, ist bereits im Grundgesetz als natürliches Recht der Eltern gewährleistet. Dieses Recht und diese Verpflichtung ist von den Eltern auch insoweit zu übernehmen, da ein minderjähriges Kind nicht in der Lage ist, Entscheidungen über seine Person und sein Vermögen zu treffen oder seine Angelegenheiten selbst zu besorgen.
Alleiniges Sorgerecht in Ausnahmefällen
Ist das Kindeswohl durch die gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge gefährdet oder sprechen andere Gründe gegen eine gemeinsame elterliche Sorge, kann in Ausnahmefällen einem Elternteil die alleinige elterliche Sorge gerichtlich übertragen werden. Stirbt einer der beiden sorgeberechtigten Elternteile, erhält der andere das alleinige Sorgerecht.
Welche Pflichten haben die Elternteile beim gemeinsamen Sorgerecht?
Die elterliche Sorge umfasst die Personensorge und die Vermögenssorge.
Personensorge
Die Personensorge erstreckt sich auf alle Angelegenheiten, die mit der Pflege, Beaufsichtigung und Erziehung des Kindes zusammenhängen. Zur Personensorge gehören auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Umgangsbestimmungsrecht.
Das Aufenthaltsbestimmungsrecht ist das Recht, den Wohnsitz und den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes zu begründen und zu verändern. Daneben besteht das Umgangsbestimmungsrecht, mit dem die Eltern den Umgang mit bestimmten Personen bestimmen oder untersagen können. Dies beinhaltet jedoch nicht das Recht oder die Entscheidung, den gesetzlichen Umgang mit einem Elternteil zu regeln oder zu verhindern.
Lesen Sie hier unseren Beitrag zum Thema Umgangsrecht.
Zur Personensorge gehören auch die Bestimmung des Namens des Kindes, die Anmeldung und Auswahl der Schule und des Kindergartens, die religiöse Erziehung sowie die Gesundheitssorge.
Religiöse Erziehung und Wahl des Glaubens
Hinsichtlich der religiösen Erziehung haben die Eltern auch das Recht zu bestimmen, welcher Religion das Kind angehören soll. Dieses Recht wird jedoch ab dem 10. Lebensjahr des Kindes eingeschränkt, da das Kind ab diesem Alter zumindest bei der Wahl der Religion angehört werden muss. Ab dem 12. Lebensjahr des Kindes wird das Recht der Eltern noch weiter eingeschränkt, in dem das Kind nicht gegen seinen Willen in einem bestimmten Bekenntnis oder einer Religion erzogen werden darf.
Das Mitspracherecht der Eltern entfällt ab dem 14. Lebensjahr des Kindes vollständig und das Kind kann selbst über Religion und Konfession entscheiden, da ab dem 14. Lebensjahr die Religionsmündigkeit eintritt.
Vermögenssorge
Die elterliche Sorge für das Vermögen umfasst die Verwaltung des Vermögens des Kindes sowie alle Entscheidungen, die das Vermögen des Kindes betreffen. Dazu gehört es, zu bestimmen, wie das Vermögen des Kindes zu verwenden oder anzulegen ist.
Erbschaften oder Schenkungen, die dem Kind zugewendet werden, fallen grundsätzlich auch unter die Vermögenssorge. Im deutschen Erbrecht kann ein Kind nicht erst mit der Geburt erben, sondern bereits mit der Zeugung (sog. nasciturus). Die Verwaltung des Vermögens durch die Eltern ist jedoch ausgeschlossen, wenn der Erblasser oder Schenker die Eltern oder einen Elternteil von der Verwaltung ausgeschlossen hat.
Gesetzliche Vertretung
Die elterliche Sorge umfasst auch die gesetzliche Vertretung des Kindes. Dazu gehört z.B. die Prozessführung für das Kind. Dies kann dann von Bedeutung sein, wenn das Kind z.B. bei der Geburt gesundheitlich geschädigt wurde und auf Schadenersatz geklagt werden soll. Ähnliches gilt bei Verletzungen durch einen Unfall und die Klage wegen der entsprechenden Folgen.
Bei gemeinsamer elterlicher Sorge können die Eltern das Kind zwar nur gemeinsam vertreten. Bestimmte Rechtsgeschäfte bedürfen jedoch zusätzlich der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts. Dazu gehört zum Beispiel die Ausschlagung einer Erbschaft.
Welche Entscheidungen darf ein Elternteil beim gemeinsamen Sorgerecht alleine treffen?
Bei dem gemeinsamen Sorgerecht wird die elterliche Sorge von beiden Eltern gemeinsam ausgeübt. Das bedeutet, dass bei Entscheidungen, die das Kind betreffen, Einigkeit zwischen den Eltern herrschen muss. Um etwas entscheiden zu können, müssen die Eltern also einer Meinung sein.
Da dies jedoch bei einer Trennung der Eltern oder bei Entscheidungen des täglichen Lebens nicht immer angemessen oder praktikabel wäre, müssen nicht immer alle Entscheidungen von beiden Sorgeberechtigten getroffen werden. Eine Ausnahme von der gemeinsamen Entscheidung wird bei Angelegenheiten des täglichen Lebens gemacht, die ein sorgeberechtigter Elternteil auch allein treffen kann.
Angelegenheiten des täglichen Lebens können zum Beispiel sein:
- Entscheidung über das Essen des Kindes, Ernährung, Kleidung
- Schlafenszeiten des Kindes
- Täglicher Medienkonsum bzw. Nutzung von Fernseher, Computer, Social Media usw.
- Angelegenheiten des Schulalltags
- Teilnahme an Klassenfahrten
- Annahme und Umgang mit kleinen Geschenken
- Tagesausflüge und Teilnahme an Sportveranstaltungen, Konzerten usw.
- Entscheidung über die sportlichen Aktivitäten des Kindes
- Auswahl der Freunde des Kindes, sofern der andere Sorgeberechtigte seine Zustimmung nicht offensichtlich verweigern würde
- die medizinische Grundversorgung, d.h. Impfungen, regelmäßige Arztbesuche, Behandlung von Kinderkrankheiten
- medizinische Versorgung, die sofortiges Handeln erfordert (akute Behandlungen oder Notfälle).
Die Eltern müssen jedoch gemeinsam entscheiden über:
- Wohnort des Kindes und Wohnortwechsel
- Wahl und Entscheidung über Schule, Schulform oder Kindergarten
- Wahl des Ausbildungsplatzes
- Wahl des Studienganges oder des Studienortes (wenn das Kind bei Beginn eines Studiums noch minderjährig ist)
- Teilnahme an Schüleraustauschprogrammen
- Umgang mit und Annahme von größeren Geldgeschenken
- Ist mit einem Sachgeschenk ein möglicher rechtlicher Nachteil verbunden (z.B. ein Haus und die damit verbundenen regelmäßigen Kosten, aber auch ein Haustier), müssen ebenfalls beide Elternteile gemeinsam über die Annahme entscheiden.
- Annahme von Erbschaften
- Medizinische Eingriffe, die nicht zur Regelversorgung gehören und kein sofortiges Handeln erfordern
- Höhe des Taschengeldes
- Wahl der religiösen Erziehung, Konfession und Religion (bis zum 14. Lebensjahr des Kindes)
Wie wird gemeinsames Sorgerecht erlangt?
Wie das gemeinsame Sorgerecht erlangt werden kann, hängt in erster Linie davon ab, in welchem Verhältnis die beiden leiblichen Eltern zueinander stehen. Sind die leiblichen Eltern des Kindes miteinander verheiratet, erhalten beide Ehepartner automatisch das gemeinsame Sorgerecht.
Kinder nicht miteinander verheirateter Eltern
Sind Mutter und Vater des Kindes nicht miteinander verheiratet, erhält die leibliche Mutter des Kindes das alleinige Sorgerecht und der Vater zunächst kein Sorgerecht.
In einem solchen Fall gibt es drei mögliche Szenarien (§ 1626a Abs. 1 BGB).
- Im ersten Szenario stimmt die Mutter der gemeinsamen elterlichen Sorge zu. Dazu müssen beide Elternteile vor dem zuständigen Jugendamt die Vaterschaft anerkennen und jeweils eine übereinstimmende Sorgeerklärung abgeben. Erst nach Abgabe der Sorgeerklärung steht beiden Eltern das gemeinsame Sorgerecht zu. Wird nur die Vaterschaft anerkannt, führt dies daher nicht automatisch zum Sorgerecht für das Kind.
- Stimmt die Mutter der Abgabe einer solchen Sorgeerklärung in einem zweiten Szenario nicht zu, bleibt dem Vater nur die Möglichkeit, das Sorgerecht gerichtlich zu erwirken. Auch gegen den Willen der leiblichen Mutter kann das Familiengericht beiden Eltern die gemeinsame Sorge übertragen, wenn dies dem Kindeswohl nicht widerspricht (§ 1626a Abs. 2 BGB). Dies wird gesetzlich vermutet, wenn keine Gründe für eine Kindeswohlgefährdung vorgetragen werden oder ersichtlich sind.
- Der Vater erhält im dritten Szenario die gemeinsame Sorge dann, wenn die Eltern nach der Geburt heiraten.
Was bedeutet gemeinsames Sorgerecht bei der Trennung?
Trennen sich die Eltern eines Kindes, so hat dies zunächst keine Auswirkungen auf das gemeinsame Sorgerecht.
Das gemeinsame Sorgerecht ist nicht an das Bestehen einer Ehe gebunden. Auch nach einer Trennung üben beide Elternteile die elterliche Sorge weiterhin gemeinsam aus.
Alle wichtigen Entscheidungen müssen von beiden Elternteilen auch nach einer Trennung weiterhin gemeinsam zum Wohle des Kindes getroffen werden. Können sich die getrenntlebenden Eltern nicht einigen, kann eine Einigung mit Hilfe Dritter, z.B. durch das Jugendamt, oder durch Einschaltung des Familiengerichts herbeigeführt werden.
Fazit
- Gemeinsames Sorgerecht: Beide Elternteile tragen unabhängig von ihrem Beziehungsstatus die gemeinsame elterliche Sorge für ihr Kind. Nach § 1626 BGB üben beide Elternteile die elterliche Sorge gemeinsam, gleichberechtigt und einvernehmlich aus.
- Ausnahmen: In Ausnahmefällen kann einem Elternteil das alleinige Sorgerecht übertragen werden, wenn das Kindeswohl durch gemeinsames Sorgerecht gefährdet ist oder andere Gründe dagegen sprechen.
- Pflichten der Eltern: Die elterliche Sorge umfasst die Personensorge, Gesundheitssorge und die Vermögenssorge sowie die rechtliche Vertretung des Kindes. Bei gemeinsamer elterlicher Sorge müssen die Eltern Entscheidungen, die für das Kind von erheblicher Bedeutung sind, einvernehmlich treffen.
- Alleinige Entscheidungsbefugnis: In Angelegenheiten des täglichen Lebens kann ein Elternteil allein entscheiden.
- Erlangung des gemeinsamen Sorgerechts: Durch Heirat der Eltern oder Anerkennung der Vaterschaft und Abgabe einer Sorgeerklärung kann gemeinsames Sorgerecht erworben werden. Stimmt bei getrennt lebenden Eltern die leibliche Mutter dem gemeinsamen Sorgerecht nicht zu, kann der Vater dies gerichtlich erwirken. Durch die Heirat nach der Geburt erlangt der Ehemann ebenso das gemeinsame Sorgerecht.
- Trennung der Eltern: Auch nach einer Trennung behalten beide Eltern gemeinsames Sorgerecht und wichtige Entscheidungen müssen weiterhin gemeinsam getroffen werden. Kommt es zu Meinungsverschiedenheiten, kann das Jugendamt oder das Familiengericht eingeschaltet werden.
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FAQ
Was ist gemeinsames Sorgerecht?
Gemeinsames Sorgerecht bedeutet, dass beide Elternteile unabhängig von ihrem Beziehungsstatus (verheiratet oder getrennt lebend) gemeinsam für ihr Kind verantwortlich sind. Dies umfasst die gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge zum Wohle des Kindes.
Wie erhält man gemeinsames Sorgerecht?
Verheirateten Eltern wird das gemeinsame Sorgerecht automatisch zugesprochen. Bei nicht verheirateten Eltern kann es durch Anerkennung der Vaterschaft und Abgabe einer Sorgeerklärung oder durch gerichtliche Entscheidung begründet werden. Mit der Eheschließung nach der Geburt des Kindes geht das gemeinsame Sorgerecht ebenfalls auf beide Ehepartner über.
Welche Pflichten haben Eltern mit gemeinsamem Sorgerecht?
Eltern, die gemeinsames Sorgerecht haben die Pflicht, für das Wohl ihres Kindes zu sorgen, einschließlich der Personensorge, der Vermögenssorge und der gesetzlichen Vertretung des Kindes.
Kann jeder Elternteil allein entscheiden?
Ja, in Angelegenheiten des täglichen Lebens kann ein Elternteil allein entscheiden. Wichtige Entscheidungen, die das Kind betreffen, müssen jedoch von beiden Elternteilen gemeinsam und einvernehmlich getroffen werden.
Was passiert, wenn sich die Eltern trennen?
Auch nach einer Trennung behalten beide Eltern das gemeinsame Sorgerecht. Wichtige Entscheidungen müssen weiterhin gemeinsam getroffen werden. Bei Meinungsverschiedenheiten kann das Jugendamt oder das Familiengericht eingeschaltet werden.
Gibt es Ausnahmen von der gemeinsamen elterlichen Sorge?
Ja, in Ausnahmefällen kann einem Elternteil das alleinige Sorgerecht zugesprochen werden, wenn das Kindeswohl gefährdet ist oder andere Gründe dagegen sprechen.
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