Wer krank ist, hat schon Sorgen genug. Umso ärgerlicher, wenn während der Krankmeldung eine Kündigung des Arbeitgebers im Briefkasten liegt.
Wir erklären Ihnen, ob eine Kündigung trotz Krankmeldung überhaupt zulässig ist und wie Sie sich dagegen wehren können.
Inhalt
- Darf der Arbeitgeber trotz Krankmeldung kündigen?
- Kann der Arbeitgeber die Kündigung mit meiner Krankschreibung begründen?
- Kündigung trotz Krankmeldung: werde ich weiter bezahlt?
- Was sollte ich nach der Kündigung tun?
- Fazit
1. Darf der Arbeitgeber trotz Krankmeldung kündigen?
Eine weit verbreitete Annahme ist, dass Arbeitnehmer während einer Krankschreibung generell und umfassend vor Kündigungen geschützt sind.
Dies geht vermutlich auf die Rechtslage in der DDR zurück, die einen solchen Schutz tatsächlich vorsah.
Heute jedoch gibt es eine solche Regelung nicht mehr. Kündigungen sind somit auch trotz einer Krankmeldung des Arbeitnehmers jederzeit möglich.
Von diesem Grundsatz gibt es eine seltene Ausnahme. § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verpflichtet den Arbeitgeber, seine Handlungen an „Treu und Glauben“ zu orientieren.
Bezieht man dies auf Kündigungen, dürfen diese nicht zur „Unzeit“ erfolgen. Eine Kündigung zur Unzeit nämlich ist treuwidrig und damit rechtswidrig.
Wann genau eine solche „Kündigung zur Unzeit“ vorliegen kann, hat das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil aus dem Jahr 2001 (BAG, Urteil v. 05.04.2001 – 2 AZR 185/00) beispielhaft erläutert:
- „Unzeit“ bedeutet zunächst, dass die Kündigung den Arbeitnehmer gerade wegen Ihres Zeitpunktes besonders belastet. Da jede Kündigung für einen Arbeitnehmer (mehr oder weniger stark) belastend ist, sind an die Unwirksamkeit nach § 242 BGB sehr hohe Anforderungen zu stellen. So reiche der reine zeitliche Zusammenhang der Kündigung mit einer Fehlgeburt oder dem Tod eines nahen Angehörigen nicht aus. Zur Unzeit gekommen sei aber z.B. eine Kündigung unmittelbar vor einer Operation aufgrund eines schweren Autounfalls.
- Dass die Kündigung zur Unzeit erfolgt, reicht nicht aus. Zusätzlich muss der Arbeitnehmer durch die Kündigung in seinen berechtigten Interessen beeinträchtigt werden. Das BAG nennt hier als Beispiel den Fall, dass der Arbeitgeber die Kündigung mit voller Absicht zur Unzeit versendet, um seinen Arbeitnehmer damit zu beeinträchtigen.
In welchem Fall genau eine Kündigung zur Unzeit vorliegt, lässt sich pauschal nicht sagen. Die Arbeitsgerichte beantworten diese Frage individuell für jeden Einzelfall.
Oft genügt schon die Möglichkeit, dass das Gericht einen Fall der Unzeit annehmen könnte. Arbeitgeber sind dann oft zur Zahlung einer Abfindung bereit, um diesem Risiko aus dem Weg zu gehen.
Wir prüfen für Sie, wie Sie am besten gegen Ihre Kündigung trotz Krankschreibung vorgehen. Darin sind wir seit vielen Jahren erfahren. Sie erreichen uns unter 06196 46566 oder info@fachanwaelte-bundesweit.de.
2. Kann der Arbeitgeber die Kündigung mit meiner Krankschreibung begründen?
Eine ganz andere Frage ist, ob der Arbeitgeber auch wegen der Krankschreibung kündigen darf. Es geht also darum, ob die Krankheit eines Arbeitnehmers selbst ein legitimer Kündigungsgrund ist.
Allgemein gilt: Hat Ihr Betrieb mehr als 10 Mitarbeiter und arbeiten Sie länger als sechs Monate dort, sind Sie durch das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) geschützt. Konkret bedeutet das, dass Ihr Arbeitgeber Sie nicht einfach so kündigen darf, sondern hierfür einen stichhaltigen Kündigungsgrund benötigt.
Die Krankheit eines Arbeitnehmers ist grundsätzlich ein personenbedingter Kündigungsgrund. Ein Arbeitnehmer darf also nicht nur trotz seiner Krankschreibung gekündigt werden (vgl. oben 1.), die Krankheit kann sogar Grund der Kündigung sein.
Lesen Sie unseren Beitrag zum Thema personenbedingte Kündigung.
Das bedeutet aber nicht, dass jede Krankheit gleich eine Kündigung rechtfertigt. Vielmehr müssen hohe Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Arbeitgeber wegen einer Krankschreibung kündigen darf:
a. Negative Prognose
Eine akute Erkrankung alleine genügt nicht für die Kündigung. Es muss vielmehr zu erwarten sein, dass die Krankheit des Arbeitnehmers den Betriebsablauf auch in Zukunft erheblich stören wird. Hierzu wird eine Prognose über die künftige gesundheitliche Entwicklung des Arbeitnehmers angestellt.
Negativ für den Arbeitnehmer fällt die Prognose dann aus, wenn keine baldige Genesung in Aussicht ist oder diese sehr unwahrscheinlich ist.
Beispiel: Eine gebrochene Hand nach einem Fahrradsturz macht einen Pianisten zwar kurzzeitig arbeitsunfähig, heilt aber im Regelfall nach wenigen Wochen wieder vollständig. Eine negative Prognose liegt aber z.B. dann vor, wenn der Bruch kompliziert ist und deshalb zu chronischen Problemen mit der Hand führen wird.
Entscheidend ist also allein der Blick in die Zukunft. Vergangene Fehlzeiten haben nur Indizwirkung. Das bedeutet: Ist ein Arbeitnehmer immer wieder oder für längere Zeit ausgefallen, spricht zwar vieles dafür, dass er auch künftig häufig krank sein wird.
Der Arbeitgeber könnte ihm also kündigen. Kann der Arbeitnehmer aber beweisen, dass er in absehbarer Zeit wieder genesen wird, kommt eine Kündigung nicht in Betracht – egal, wie lange der Arbeitnehmer bisher gefehlt hat.
b. Kein milderes Mittel
Es darf kein milderes Mittel neben der Kündigung existieren, insbesondere keine Möglichkeit, den betroffenen Arbeitnehmer auf einer anderen Stelle im Unternehmen einzusetzen. Dafür muss natürlich eine freie Stelle existieren und der Arbeitnehmer die entsprechende Qualifikation für den neuen Einsatzbereich haben.
Beispiel: Die Handverletzung des Pianisten ist chronisch. Allerdings ist eine Stelle als Ausbilder frei. Der Pianist weist die notwendige Erfahrung für diese Stelle auf. Die Versetzung dorthin kommt als milderes Mittel in Betracht. Die sofortige Kündigung ist daher unter Umständen angreifbar.
Übrigens: Fehlt ein Mitarbeiter in einem Jahr insgesamt länger als sechs Wochen, sollte der Arbeitgeber ein sog. betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anbieten. Darin loten die Parteien Möglichkeiten aus, um den Arbeitnehmer mit Rücksicht auf seine Gesundheit besser in den Betrieb zu integrieren. Fehlt ein Angebot zum BEM, ist die Kündigung meist rechtswidrig.
c. Interessenabwägung
Zuletzt müssen die Interessen des Arbeitnehmers und die des Arbeitgebers gegeneinander abgewogen werden. Für den Arbeitnehmer können dabei z.B.
- sein Alter (je höher, desto schutzwürdiger),
- die Dauer der Betriebszugehörigkeit,
- bestehende Unterhaltspflichten
- oder seine Anwesenheitsquote vor der Erkrankung sprechen.
Für den Arbeitgeber spricht meist sein wirtschaftliches Interesse und sein Interesse an Planungssicherheit. Je eher und flexibler er den Ausfall also kompensieren kann, desto bessere Chancen haben Arbeitnehmer vor Gericht.
Wir verteidigen seit vielen Jahren unsere Mandanten gegen krankheitsbedingte Kündigungen. Gerne unterstützen wir Sie, um Ihren Arbeitsplatz zu erhalten oder eine Abfindung auszuhandeln. Sie erreichen uns unter 06196 46566 oder info@fachanwaelte-bundesweit.de.
3. Kündigung trotz Krankmeldung: werde ich weiter bezahlt?
Grundsätzlich besteht in den ersten sechs Wochen der Erkrankung der normale Lohnanspruch weiter (vgl. § 3 EFZG). Anschließend übernimmt in aller Regel die Krankenkasse mit dem Krankengeld. Dieses beträgt 70 % des Bruttolohnes bzw. 90 % des Nettolohnes (je nachdem, welcher Wert geringer ist; abzgl. der Sozialbeiträge des Arbeitnehmers).
Die Leistung wird in der Regel bis zu 78 Wochen gezahlt – auch über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus.
Die Kündigung des Arbeitgebers beendet das Arbeitsverhältnis nicht unmittelbar, sondern erst nach Ablauf der Kündigungsfrist. Diese bemisst sich meist nach der Länge des Arbeitsverhältnisses (vgl. § 622 BGB) und kann über ein halbes Jahr lang sein.
Zwischen dem Zugang der Kündigung und Ablaufen der Kündigungsfrist besteht weiterhin Anspruch auf die Lohnfortzahlung bzw. nach sechs Wochen auf das Krankengeld. Endet die Frist vor Ablauf von sechs Wochen, springt ebenfalls die Krankenkasse ein.
Kündigt der Arbeitgeber gerade wegen der Krankheit, liegt eine „Anlasskündigung“ vor. Dann ist der Arbeitgeber sechs Wochen lang zur Weiterzahlung des Entgeltes verpflichtet, auch wenn das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung schon früher aufgelöst wird! Erst danach muss die Krankenkasse das Krankengeld leisten.
4. Was sollte ich nach der Kündigung tun?
Ist die Kündigung rechtswidrig, können Sie sich mit einer Kündigungsschutzklage vor Gericht dagegen wehren und die Kündigung für ungültig erklären lassen (§ 4 KSchG).
Sie sollten sich nach Zugang der Kündigung schnellstmöglich an unsere Kanzlei wenden. Wir können einschätzen, welche Chancen Sie gegen die Kündigung haben. In den meisten Fällen ist es zumindest möglich, eine attraktive Abfindung auszuhandeln.
Lassen Sie sich keinesfalls zu viel Zeit! Innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung muss die Kündigungsschutzklage beim Gericht eingehen. Wenn Sie diese Frist verpassen, wird die Kündigung wirksam. Sie lässt sich dann nicht mehr angreifen, selbst wenn sie rechtswidrig war.
Achtung: Die Frist beginnt mit Zugang der Kündigung in Ihrem Briefkasten zu laufen. Ob Sie die Kündigung tatsächlich lesen oder wahrnehmen, spielt keine Rolle. Sind Sie z.B. aufgrund der Krankheit stationär im Krankenhaus aufgenommen, sollte ein Vertrauter regelmäßig nach Ihrer Post schauen, um die 3-Wochen-Frist nicht zu verpassen.
5. Fazit
Ein Arbeitgeber darf seinem Arbeitnehmer auch trotz einer Krankschreibung kündigen. Eine Ausnahme gilt, wenn die Kündigung zur Unzeit erfolgt.
Der Arbeitgeber darf auch anlässlich der Krankheit kündigen (personenbedingte Kündigung). Die Voraussetzungen liegen allerdings hoch.
Vom Zugang der Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist besteht weiter ein Anspruch auf Lohnfortzahlung bzw. Krankengeld. Kündigt der Arbeitgeber wegen der Krankheit, besteht der Anspruch sogar über die Kündigungsfrist hinaus.
Eine rechtswidrige Kündigung kann innerhalb von drei Wochen mit einer Kündigungsschutzklage angegriffen werden. Kommen Sie zu diesem Zweck möglichst frühzeitig auf uns zu. Haben Sie eine Kündigung trotz Krankmeldung erhalten oder ein anderes Anliegen aus dem Arbeitsrecht? Dann rufen Sie uns an unter 06196 46566 oder schreiben Sie uns eine E-Mail an info@fachanwaelte-bundesweit.de. Wir beraten Sie gerne!
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