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Ist Bossing am Arbeitsplatz strafbar? – 5 aufschlussreiche Fragen und Antworten

Viele betroffene Arbeitnehmer fragen sich: ist Bossing am Arbeitsplatz strafbar? Die ganz klare Antwort: ja!

Allerdings gibt es keinen Straftatbestand, der schikanöses Verhalten durch den Vorgesetzten generell bestraft. Arbeitnehmer sind jedoch durch verschiedene Gesetze und Straftatbestände vor den einzelnen Bossing-Handlungen geschützt.

Bossing am Arbeitsplatz
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Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Bernd Schmidt informiert in diesem Beitrag darüber, was Bossing ist und wie man sich dagegen wehren sollte.

Übersicht:

  1. Was ist Bossing am Arbeitsplatz?
  2. Was zählt zum Thema Bossing am Arbeitsplatz?
  3. Was tun, wenn man vom Chef schikaniert wird?
  4. Kann man Bossing anzeigen?
  5. Was kann der Betriebsrat bei Bossing tun?

1. Was ist Bossing am Arbeitsplatz?

Das Wort Bossing gibt es weder im Arbeitsrecht noch im Strafrecht. Unter Bossing versteht man die grundlos schikanöse Behandlung eines Vorgesetzten oder Chefs gegenüber seinen untergebenen Arbeitnehmern. Kennzeichnend ist dabei vor allem das Vorhandensein eines Über-Unterordnungsverhältnisses. Der Vorgesetzte nutzt seine übergeordnete Stellung in diesem Fall aus.

Weil der Vorgesetzte meist durch seine Leitungs- und Kontrollfunktion auch ein Weisungsrecht innehat, kann er durch ungerechtfertigte arbeitsrechtliche Konsequenzen wie Abmahnung oder die Androhung einer Kündigung besonderen psychischen Druck erzeugen.

Bossing ist systematisch und kommt wiederholt vor

Darüber hinaus ist Bossing systematisch und kommt wiederholt vor. Das bedeutet, dass ein bestimmter Mitarbeiter immer wieder Ziel der Schikanen ist oder gezielt und häufig vor den anderen Kollegen lächerlich gemacht wird.

Bossing am Arbeitsplatz kann grundsätzlich zwei Zielrichtungen haben: zum einen werden die fachliche Leistung bzw. Arbeitsergebnisse schlecht geredet oder die verrichtete Arbeit wird abgewertet. Zum anderen wird durch persönliche Schikanen auch die soziale Ebene betroffen.

Bossing ist willkürlich

Ganz allgemein lässt Bossing sich als Mobbing „von oben“ unter Ausnutzung der hierarchischen Ebene charakterisieren. Doch wenn der Chef oder Vorgesetzte, etwa, weil eine Aufgabe nicht gut genug ausgeführt worden ist, mit seinem Mitarbeiter „schimpft“ oder Kritik übt, mag sich das für die Betreffenden auch nicht gut anfühlen.

Als Bossing ist dieser nicht wertschätzende Umgangston allerdings meist nicht zu charakterisieren. Es fehlt hierbei an der Willkürlichkeit und einem Verhalten dem Mitarbeiter gegenüber, welches eine längere Zeit anhält und systematisch ist.

Was zählt zum Thema Bossing am Arbeitsplatz?

Bossing kann auf zwei verschiedenen Ebenen stattfinden: der persönlichen/sozialen Ebene und der Arbeitsebene.

Bossing auf der sozialen Ebene kann z.B. vorliegen:

  • Verleumdung durch Gerüchte
  • Beleidigung und üble Nachrede
  • Sexuelle Belästigung
  • Nötigung
  • Falsche Verdächtigungen
  • Körperverletzung und Tätlichkeiten
  • Ausgrenzung aus z.B. der Abteilung oder dem Team

Bossing auf der Arbeitsebene liegt z.B. vor:

  • Informationen werden bewusst nicht weitergegeben
  • Erteilung unbilliger Weisungen
  • Übermäßige Kontrolle
  • Unsachliche Kritik an Arbeitsergebnissen oder Arbeitsweise
  • Manipulation von Arbeitsergebnissen
  • Anordnung sinnloser Tätigkeit
  • Anordnung von Aufgaben, die nicht zu bewältigen sind
  • Abmahnungen, Kündigung oder arbeitsrechtliche Sanktionen, die grundlos oder ungerechtfertigt sind

Solche Handlungen sollen nicht selten den betroffenen Arbeitnehmer zermürben. Dies kann deshalb passieren, weil sich der Vorgesetzte selbst fachlich dem Mitarbeiter unterlegen fühlt und damit eigene Unsicherheiten kompensieren möchte oder schlicht Angst um seine eigene hierarchische Stellung als Vorgesetzter hat. Allerdings kann Bossing am Arbeitsplatz auch ein Mittel sein, um eigentlich nicht kündbare Mitarbeiter solange zu schikanieren, bis diese schließlich von selbst kündigen.

Was tun, wenn man vom Chef schikaniert wird?

Hat man das Gefühl, dass man über einen längeren Zeitraum und systematisch von seinem Vorgesetzten unter Ausnutzung seiner Stellung und seines Weisungsrechts schikaniert wird, sollte man dies offen ansprechen. Zwar ist eine direkte Konfrontation alles andere als einfach. Jedoch bietet sie auch die Möglichkeit, dem Vorgesetzten dabei Grenzen zu setzen und die Stirn zu bieten.

Dies sollte jedoch immer mit Bedacht angegangen werden. Bei Vorgesetzten, die ihre Stellung durch Bossing ausnützen, kann es durchaus auch passieren, dass ein solches Gespräch zu weiteren Verleumdungen und falschen Anschuldigungen führt, die in einer Kündigung enden können.

Da Bossing am Arbeitsplatz aber in jedem Fall nicht dazu führt, dass man sich als schikanierter Arbeitnehmer im Betrieb wohl fühlt oder Ambitionen hätte weiterhin in dem Unternehmen beschäftigt zu sein, kann eine Konfrontation vorteilhafter sein als dem „bossenden“ Vorgesetzten noch länger ausgesetzt zu sein – auch wenn dies zu einer ungerechtfertigten Kündigung führen kann. Für sich selbst einzustehen ist in jedem Fall besser und für die eigene Gesundheit zuträglicher, als die Schikanen des Vorgesetzten auszuhalten.

Tagebuch führen und Schikanen dokumentieren

Möchte man ein solches Gespräch mit dem Vorgesetzten führen, sollte dies immer selbstbewusst und in einem angemessenen Ton geschehen. Außerdem ist es vorteilhaft, den Vorgesetzten mit konkreten Situationen zu konfrontieren, als lediglich mit dem „Gefühl“ von ihm schikaniert zu werden. In jedem Fall sollten Arbeitnehmer eine Art Tagebuch führen, in dem die Schikanen protokolliert und dokumentiert werden – egal ob ein solches Gespräch stattfinden soll oder nicht.

Sollte sich nach dem Gespräch nichts ändern, bietet sich die Möglichkeit, sich an die Personalabteilung oder die übergeordnete Hierarchie-Ebene wie die Geschäftsführung zu wenden.

Betriebsrat und Strafanzeige

Sollte ein Betriebsrat existieren, kann man sich als schikanierter Arbeitnehmer auch mit dem Verhalten des Vorgesetzten an diesen wenden. Darüber hinaus kann man für bestimmte Bossing-Handlungen auch Strafanzeige erstatten.

Kann man Bossing anzeigen?

Wird man von seinem Chef oder Vorgesetzten drangsaliert, schikaniert, diskriminiert oder sogar beleidigt, sollte man dies nicht hinnehmen. Solche Handlungen verletzen nicht nur die psychische Gesundheit, sondern stellen meist auch Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar. Neben den innerbetrieblichen Möglichkeiten, lassen sich einzelne Handlungen auch strafrechtlich anzeigen.

Wenn Handlungen vorliegen wie Beleidigungen, üble Nachrede, Verleumdungen, Nötigung, falsche Verdächtigungen, sexuelle Belästigung oder Übergriffe sowie Körperverletzungen, dann erfüllen solche Handlungen auch Straftatbestände und können angezeigt werden.

Strafrechtliche Tatbestände meist nicht betroffen

Allerdings sind die Schikanen, aus denen sich das Bossing zusammensetzt, häufig zwar für den Betroffenen verletzend und belastend. Häufig erwachsen daraus aber keine strafrechtlich relevanten Handlungen. Da für Bossing kein eigener Straftatbestand existiert, sind die Bossing – Handlungen häufig strafrechtlich nicht relevant genug, um geahndet werden zu können.

Meist verstehen es Vorgesetzte, die Bossing am Arbeitsplatz betreiben, auch sehr gut, dies auf eine Weise zu tun, dass andere Kollegen dies nicht mitbekommen. Es fällt den Kollegen vielleicht nicht sofort oder gar nicht auf, dass ein bestimmter Mitarbeiter über einen längeren Zeitraum systematisch schikaniert wird.

Bossing-Handlungen, die aus Schikanen z.B. Ausgrenzung, übermäßige Kontrolle, dem Vorenthalten von wichtigen Informationen, der unsachlichen Kritik oder der Anordnung sinnloser bzw. nicht zu bewältigender Tätigkeiten bestehen, werden meist nur gegenüber dem Mitarbeiter persönlich vorgenommen. Kollegen und andere Mitarbeiter bekommen daher nicht unbedingt mit, wie der Vorgesetzte Bossing am Arbeitsplatz betreibt.

Beweisbarkeit von Bossing strafrechtlich oft schwierig

Strafrechtlich dürfte auch die Beweisbarkeit eher schwierig sein. Selbst wenn Kollegen Schikanen und Bossing am Arbeitsplatz mitbekommen sollten, möchten diese gerade aus Angst vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen oder wegen der Befürchtung, selbst Opfer von Bossing zu werden, überhaupt nicht aussagen. Da Bossing häufig nur unter vier Augen passiert, ist es in jedem Fall schwierig, dies zu beweisen.

Was kann der Betriebsrat bei Bossing tun?

Es liegt im Interesse und in der Pflicht des Arbeitgebers, dass es in einem Unternehmen oder in einem Betrieb weder zu Bossing am Arbeitsplatz noch zu Mobbing kommt. Durch die Auswirkungen auf Arbeitnehmer, die von Mobbing und Bossing betroffen sind, führen solche Verhaltensweisen meist zu einer geringeren Produktivität, einem höheren Krankenstand bis hin zu einem Verlust von Fachwissen, wenn betroffene Mitarbeiter kündigen. Ein solches Verhalten zu dulden, kann bereits nicht im Interesse des Arbeitgebers sein.

Allerdings trifft den Arbeitgeber auch eine Fürsorgepflicht für seine Mitarbeiter. Sollte es Vorgesetzte geben, die Bossing betreiben, muss es Anlaufstellen für betroffene Mitarbeit im Unternehmen geben, um dies zu melden. Der Arbeitgeber muss hierauf auch durch adäquate Mittel reagieren.

Dies ist auch z.B. im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz geregelt. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Schutz des psychischen Wohlbefindens zu gewährleisten. Tut er dies nicht und kommt es zu Bossing, kann dies für Opfer zu einem Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz führen.

Bildquellennachweis: © Freeograph | PantherMedia

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